Die Mondfinsternis am 15.06.2011 fiel in die Zeit der Sommersonnenwende und damit in die kürzeste Vollmondnacht des Jahres. Der Erdtrabant erreichte nur eine bescheidene Höhe über dem Horizont. Deshalb konnte man sich von dieser MoFi, obwohl es eine der längsten totalen Finsternisse in diesem Jahrhundert war, nicht allzuviel erwarten. Der Mond ging etwa mit Beginn der totalen Phase auf, würde aber zunächst am noch hellen Himmel wahrscheinlich nicht sichtbar sein. Da es nur sehr allmählich dunkler wurde, der Mond immer tiefer in den Kernschatten eindrang und dabei kaum Höhe über dem Horizont gewann, konnte es durchaus sein, dass man ihn erst gegen Ende der totalen Phase erspähen würde. Die zweite partielle Phase am jetzt dunkelblauen Dämmerungshimmel würde - in einer hoffentlich milden Sommernacht - reizvolle Fotomotive bieten. In Ihrem ganzen Verlauf optimal zu beobachten war diese Finsternis im südlichen Afrika oder auf Mauritius.
Fotoserie von Thorsten Böckel, aufgenommen bei Penzing/Oberbayern. Bitte klicken Sie auf die Fotos, um diese in Originalgröße anzuschauen.
Die Mondfinsternis am 15.06.2011 wurde von einem beträchtlichen und - wie üblich - kurzfristigen Medienhype begleitet. Die Tatsache, dass es sich um die längste MoFi seit mehr als 10 Jahren handelte, bot einen geeigneten Aufhänger für Schlagzeilen. Die derart mobilisierte Öffentlichkeit sorgte für Rekordbesucherzahlen auf den einschlägigen Infoseiten. Über 200000 Besucher verzeichnete alleine Mondfinsternis.info, von denen dann mehr als 100000 zu AstroNation weiterklickten, deren Server vorübergehend in die Knie ging. Nachdem das behoben war, verfolgten gut 80000 Interessenten dort den Webcast von der Wasserkuppe in der Rhön. Auch andere Liveberichte konnten sich nicht über einen Mangel an Interesse beklagen. Viele Zuschauer fanden sie in den USA, wo die MoFi nicht zu sehen, aber ebenfalls ich den Medien und Astronomie-Portalen ausführlich behandelt worden war. Google reagierte auf das entfachte Interesse und streamte erstmals (in Zusammenarbeit mit SLOOH) eine Mondfinsternis. Da die Amerikaner auf diese Art sehr gut einbezogen waren, wurde diese MoFi zu einem wahrhaft globalen Ereignis, zumal sie an einem Tag ohne große politische oder katastrophenbedingte Schlagzeilen stattfand.
Enttäuscht wurden in Folge des nicht unbedingt wohlgesonnenen Wetters in Deutschland viele, die die MoFi nicht nur am Bildschirm, sondern auch mit eigenen Augen sehen wollten. Anderswo waren die Bedingungen besser, und insbesondere in Österreich, in Mittelmeergebiet, auf der arabischen Halbinsel, in Indien und in Australien entstanden zahlreiche hervorragende Fotos. Unter wirklich dunklem Himmel bot der Rote Mond vor dem Hintergrund der Sommermilchstraße einen imposanten Anblick. Die im Vorfeld diskutierte Bedeckung des 4.8 mag hellen Sterns 51 Oph, welche in Ostasien während der Finsternis stattfand, spielte dagegen im Nachhinein kaum noch eine Rolle. Mit mehr Spannung waren ohnehin das Aussehen und die Helligkeit des Mondes während der Totalität erwartet worden, hatten doch im Vorfeld 3 größere Vulkanausbrüche (Grímsvötn, Puyehue und Nabro) stattgefunden. Viele Beobachter meldeten denn auch eine sehr dunkle Finsternis, was durch die Fotos bestätigt wird. Typischerweise wurden zur Finsternismitte Danjon-Werte von 1 registriert und eine Helligkeit des Mondes vergleichbar mit Antares oder Arktur. Eine sorgfältig erhobene Helligkeitskurve aus Südafrika zeigt eine Helligkeit von etwa 0 mag. Daraus einen Einfluss vulkanischer Aerosole abzuleiten, wäre allerdings gewagt, denn bei zentralen MoFis wie am 15.06.2011 sind Helligkeiten um 0 mag und Danjon-Werte von 1 auch bei sehr klarer Erdatmosphäre durchaus zu erwarten.
Die MoFi hatte in mindestens zwei Fällen in der (lokal)politischen Szene Folgen. Ein Partei-Funktionär zog die Beobachtung der Finsternis einer wichtigen Sitzung vor, was nicht unbedingt auf Gegenliebe stieß. Und dann war da noch der Bürgermeister, welcher in betrunkenem Zustand eine Linde fällte und dies damit begründete, jene habe ihm den Blick auf den Roten Mond verwehrt.
Red Moon - Lunar Eclipse 2011, gefilmt auf den Philippinen von Albert Tamayo.
Wanderung des Mondes durch den Erdschatten.
Erstellt mit WIN-ECLIPSE 3.6 von Heinz Scsibrany.
(Dünner Ring = Halbschatten; dunkle Fläche = Kernschatten)
Die Mondfinsternis am 15.06.2011 fand für uns in Mitteleuropa unter ziemlich ungünstigen Voraussetzungen in der lang andauernden bzw. gar nicht endenden Dämmerung statt. Dazu spielte sich das ganze Geschehen sehr horizontnah ab. Auf 50° nördlicher Breite und 10° östlicher Läge tauchte der Mond just bei seinem Aufgang komplett in den Kernschatten der Erde ein, d.h. die totale Verfinsterung begann. Bis zum Ende der totalen Phase um 23:03 MESZ hatte der Mond lediglich eine Höhe von knapp 10° über dem Südost-Horizont erreicht; selbst beim Austritt aus dem Kernschatten gegen Mitternacht waren es kaum mehr als 13°.
Im Südosten Mitteleuropas, z.B. in Wien, waren die Bedingungen etwas besser, da der Mond 30 Minuten früher aufging. Deshalb konnte dort - zumindest theoretisch - die gesamte, über 100 Minuten dauernden Totalität beobachtet werden, und der Erdtrabant stand zum Ende der totalen Phase ein wenig höher an einem etwas dunkleren Himmel. Dagegen konnte es im Nordwesten, z.B. auf Sylt, durchaus passieren, dass es gar nicht dunkel genug wurde, um den "Roten Mond" am Dämmerungshimmel wahrzunehmen. Zum Ende der totalen Verfinsterung ging dort die helle bürgerliche Dämmerung gerade zu Ende. Sofern der Himmel nicht ganz klar war, hätte der Erdtrabant erst jetzt gleichsam aus dem Nichts als hauchdünne Sichel am tiefblauen Dämmerungshimmel auftauchen können.
Als Service für Sie hatten wir Animationen des Ablaufs der Mondfinsternis für ein paar Orte in Mitteleuropa erstellt und als Videos auf unseren Youtube-Account hochgeladen. Alle Animationen beginnen bei Mondaufgang und enden kurz nach Austritt des Monds aus dem Halbschatten:
Wer diese MoFi bei größerer Höhe über dem Horizont und vor einem dunklen Himmelshintergrund beobachten wollte, kann dies im östlichen Mittelmeergebiet, z.B. an der türkischen Riviera oder in Ägypten, tun. Den Platz in der ersten Reihe hatten diesmal aber Beobachter im südlichen Afrika und auf den Inseln im Indischen Ozean. Auch in Ost- und Zentralafrika, im nahen und mittleren Osten, Südasien und der gesamten Antarktis war die Mondfinsternis in ihrem kompletten Verlauf sichtbar.
In Westafrika war die Finsternis wie in Europa bei Mondaufgang bereits im Gange, während sie sich Südamerika bei Mondaufgang schon dem Ende zuneigte. Umgekehrt ging der Mond in Australien, Indonesien und Ostasien während des Finsternisverlaufs unter. Pech hatten diesmal die Bewohner Nordamerikas, vieler pazifischen Inseln und der Gebiete nördlich des Polarkreises, denn sie bekamen von dem Himmelsschauspiel gar nichts zu sehen.
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Zum Beobachten einer Mondfinsternis benötigen Sie eigentlich nichts außer Ihren Augen. Wenn Sie ein Fernglas, und sei es auch nur ein kleines Opernglas, besitzen, so sollten Sie dieses zusätzlich benutzen - der Anblick des verfinsterten Mondes am Dämmerungshimmel ist dann noch um vieles eindrucksvoller! Was Sie unbedingt suchen müssen, ist ein Platz mit freiem Blick zum Südost-Horizont. In den Mittelgebirgen und in den Alpen ist es unter Umständen gar nicht einfach, einen solchen zu finden. Hochgelegene Stellen am Ost- oder Südrand der Gebirge kommen am ehesten in Frage. Dagegen kann im Flachland der beste Beobachtungsplatz durchaus das heimische Küchenfenster sein. Mehr noch als sonst sind Sie bei dieser MoFi auf einen absolut wolkenfreien Himmel angewiesen, denn Wolken häufen sich nun einmal aufgrund des flachen Blickwinkels in Horizontnähe ......
Sollte es aber wirklich klar sein, so ergeben sich gerade auf Grund der Dämmerungssituation und der Horizontnähe des Mondes für Fotografen unglaublich reizvolle Motive.
Bewegung des Mondes vor dem Fixsternhintergrund während der Mondfinsternis am 15.06.2011 in 1-Minuten-Schritten (links) und in 5-Minuten-Schritten (rechts). Beide Animationen beginnen bei Mondaufgang. Erstellt mit Redshift 4.
Himmelsausschnitt um den Mond zur Finsternismitte. Der gelbe Kreis hat einen Durchmesser von 10 Bogengraden Bitte klicken Sie auf das Bild, um dieses in Originalgröße in einem separaten Browserfernster zu sehen.
Damit Sie einen Eindruck gewinnen, was außer der MoFi noch am Himmel zu sehen ist, präsentieren wir Ihnen nachfolgend zwei Diagramme, die den Himmelsanblick am Abend des 15.06.2011 zu verschiedenen Zeitpunkten darstellen. Streng genommen gelten sie nur für die Koordinaten 50°N/10°E; dieser Ort liegt jedoch ziemlich im Zentrum von Mitteleuropa, sodass die Karten für das gesamte Gebiet verwendet werden können.
Himmelsanblick in der Nacht vom 15. zum 16.06.2011 um 22.30 MESZ (links) und um 00.30 MESZ (rechts). Erstellt mit Redshift 4.
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Die Wettervorhersagen an den Tagen vor der Mondfinsternis waren nicht sonderlich berauschend, machten aber durchaus Hoffnungen auf Wolkenlücken. Recht optimistisch war die MoFi-Wetterprognose von Astro!nfo, während bei WetterOnline und Co. die Erwartungen etwas zurückhaltender waren. In gewisser Weise behielten beide Sichtweisen Recht, denn viele Sternfreunde bekamen die MoFi zu sehen - aber erst in der ausgehenden partiellen Phase, denn bis 23:00 nahmen insbesondere im Westen die Auflockerungen zu (s. nachstehende Satellitenbilder). Dagegen fielen die Beobachtungsbedingungen im Osten Deutschlands tendenziell schlechter als zunächst erwartet aus. Gänzlich "Clouded Out" verzeichneten vor allem der Norden Deutschlands und die Schweiz, während es in Bayern etliche Beobachtungserfolge zu vermelden gab. Wirklich gut Bedingungen herrschten in weiten Teilen Österreichs, wo zahlreiche eindrucksvolle Fotos geschossen wurden. In weiten Teilen des Mittelmeergebietes war der Himmel klar; nur Griechenland, wohin einige deutsche Sternfreunde zur MoFi-Beobachtung gereist waren, hatte etwas mit Wolken zu kämpfen. Zum Glück könnte man fast sagen, denn gerade auf Grund eines Gewitter entstand in dort ein Foto, das zu den eindrucksvollsten gehört, die jemals von einer MoFi angefertigt wurden.
Margotte, Bernd (2011): Mondfinsternis auf dem Schaftalberg in Graz. Sterne und Weltraum 2011/8, 90-91.
Rattei, Thomas; Winterer, Claudia & Thomas; Eisele, Andreas; Plohberger, Rudolf & Vollmann, Wolfgang (2011): Mondfinsternis zur Sonnenwende. Interstellarum 77, 40-41.
Schröder, Klaus-Peter (2011): Die totale Mondfinsternis am 15. Juni 2011. Sterne und Weltraum 2011/6, 54-55.
Schwager, Stefan (2011): Mondfinsternis über der Sternwarte in Riesa (Sachsen). Sterne und Weltraum 2011/8, 92-93.
Schwager, Stefan (2011): Liebe Sternen- und Mondfinsternisfreunde, ein Gruß aus der Sternwarte. VdS-Journal 39, 9-10.
Studer, Stephan (2011): Bericht von der MoFi auf dem Schauinsland am 15.6.2011. Mitteilungen der Sternfreunde Breigau e.V. September bis Dezember 2011, 7-8.